„Ich bin überzeugt, dass jede Frau eine Heldin ihrer eigenen Geschichte ist.“ Das sagt Ute Janik, Rednerin und Coach, deren Anliegen es ist, Frauen in ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen. In ihren Vorträgen lenkt sie den Blick auf erfolgreiche Frauen wie Marie Curie, Margarete Steiff und Waris Dirie („Wüstenblume“) und zeigt auf, was wir von ihnen lernen können. Und wie Frauen die überlieferten Muster von Erzählungen und Geschichten nutzen können, um ihre eigene Lebensreise erfüllend zu gestalten.
In Ihren Vorträgen kommen heldenhafte Gestalten immer wieder in den Blick. Wie kamen Sie auf das Thema?
In meiner Zeit als Unterhaltungschefin des Hessischen Rundfunks habe ich viel mit Storytelling beschäftigt. Denn nicht nur jeder Film, auch jede Fernsehsendung erzählt ja eine Geschichte: Helden und Heldinnen, die Herausforderungen bestehen müssen, Rückschläge erleiden, sich bewähren müssen. Das gilt für eine Filmheldin ebenso wie für einen Kommissar im Fernsehkrimi oder – in abgewandelter Form – für Kandidaten in einer Quizshow, die schwierige Fragen beantworten müssen.
Mich hat fasziniert, dass diese immer wiederkehrenden, in allen Kulturen ähnlichen Erzählmuster letztlich eine einzige Geschichte erzählen, nämlich die unserer Lebensreise: Es geht darum, wie wir uns als Menschen entwickeln und reifen. Von Geschichten können wir deshalb sehr viel lernen für unserer eigenes Leben.
Haben es Heldinnen schwerer als Helden?
Auf Frauen kommen auf jeden Fall andere Herausforderungen zu als auf Männer, wenn sie sich ein großes Ziel setzen. Sie müssen zum Beispiel damit rechnen, weniger ernst genommen zu werden in einem männlich geprägten Umfeld.
Besonders interessieren mich daher die Geschichten von Heldinnen. Das hat sicher damit zu tun, dass ich als junge Journalistin in einem damals noch männlichen geprägten Berufsumfeld unterwegs war und vielen Vorurteilen begegnet bin. „Frollein, haben Sie das auch alles richtig aufgeschrieben?“ Diesen Satz habe ich des Öfteren gehört.
Später, als weibliche Führungskraft, wurde mir immer deutlicher, dass wir Frauen auf unserem Weg vor ganz anderen Herausforderungen stehen als Männer, wenn wir uns große Ziele setzen. Aber wir können Sie überwinden – und wie das gehen kann, möchte ich gerne weitergeben.
War bzw. ist Pippi Langstrumpf für Sie ein Vorbild?
Oh ja, Pippi Langstrumpf habe ich immer geliebt und sehr bewundert! Ich habe als Kind alle Bücher verschlungen und mehrfach gelesen. Auf einmal war da ein Mädchen stark und mächtig, nicht ein Junge! Und wie sie da in ihrer kunterbunten Villa lebt: Frei, unkonventionell mit Herrn Nilsson und dem Pferd „Kleiner Onkel“, und vollkommen selbstbestimmt.
Da hat Astrid Lindgren ein wirkliches Gegenbild zum braven Mädchen geschaffen. Pippi tut, was ihr gefällt, und sieht überhaupt nicht ein, in der Schule „Plutimikation“ zu lernen. Sie hat aber auch ein gutes Herz und wirbelt Fieslinge durch die Luft, die anderen Kinder Böses antun wollen. Auch deswegen ist sie für mich eine Heldin.
Veranstaltungstipp
Seit jeher haben sich die Menschen Geschichten erzählt. In diesen Geschichten müssen Männer und Frauen Gefahren bestehen, Herausforderungen bewältigen, Niederlagen überwinden, lernen und reifen. Immer wieder ist in diesen Geschichten von Helden zu lesen, die ihr Schicksal meistern – oft von kühnen Kämpfern und starken Kriegern. Und so hören und lesen wir meistens, auch heute noch, von männlichen Helden. Der Vortrag „Die Heldin in dir“ lenkt den Blick dagegen auf die Frauen: Am Beispiel starker, erfolgreicher Frauen wie Marie Curie, Margarete Steiff und Waris Dirie („Wüstenblume“) zeigt Ute Janik, welche besonderen Herausforderungen auf Frauen warten, die sich ein großes Ziel setzen, und wie sie ihre Ziele erreichen können. Wie sie zu Heldinnen ihrer eigenen Geschichte werden können, trotz aller Hindernisse, die gerade Frauen in den Weg gestellt werden. In den überlieferten Mustern von Erzählungen und Geschichten spürt sie auf, wie Frauen ihre eigene Lebensreise erfolgreich und erfüllend gestalten können. Frauen erhalten in diesem Vortrag wertvolle Impulse, wie sie Herausforderungen meistern, Widerstände überwinden und damit konkrete Ziele für ihr Leben verwirklichen können.
Mittwoch, 22. November 2023 – 19:00 bis 20:30 Uhr
Was sind Ihre Kriterien für eine Heldin oder eine starke Frau
Ich denke, in erster Linie, dass sie selbstbestimmt lebt. Dass sie ihre eigenen Entscheidungen trifft, unabhängig davon, ob dies anderen Menschen gefällt oder nicht. Das heißt nicht, völlig egoistisch unterwegs zu sein, sondern zu sich selbst zu stehen und sich selbst anzunehmen, wie man ist. Das ist ganz schön schwer, gerade für Frauen, denn in der heutigen Gesellschaft wird uns doch immer wieder vermittelt, dass wir nicht genügen, dass wir einem bestimmten Bild entsprechen müssen.
Das macht uns Frauen unsicher, immer fragen wir uns ängstlich, ob andere uns gut finden, ob Frauen oder Männer!
All die Frauen, die einem unrealistischen Schönheitsideal hinterherlaufen, das der künstlichen Welt von Photoshop entsprungen ist, nur um akzeptiert zu werden! Wie schrecklich, wie schon junge Mädchen sich davon beeinflussen lassen!
Wenn wir Frauen dagegen in der inneren Stärke sind, dann haben wir auch die Kraft, Hindernisse zu überwinden und Großartiges zu leisten. Und die Energie, andere Menschen zu unterstützen und Gutes zu bewirken.
Was gehört für Sie zu einem selbstbestimmten Leben?
Für mich gehört zu einer starken Frau auch, dass sie sich nicht abhängig macht von einem Mann, dass sie ihr Recht auf die gleichen Entwicklungschancen einfordert, auch im Beruf. Frauen in Deutschland haben über Jahrzehnte so sehr um gleiche Rechte gekämpft.
Zum Beispiel das Recht, einen Job anzunehmen – ich erinnere nur daran, dass Frauen bis 1977 dafür die Erlaubnis ihres Ehemanns brauchten! Die Komikerin Sarah Bosetti sagt ironisch: „Uns Frauen steht nichts zu – uns wird nur etwas zugestanden.“ Doch, uns steht etwas zu, und starke Frauen wissen das und fordern es ein.
Gehört auch Scheitern dazu?
„Scheitern“ ist ein Wort, das ich gar nicht gern benutze. Da steckt schon so viel negative Wertung drin. Ich würde eher sagen: Rückschläge gehören dazu, wenn wir etwas erreichen wollen, das uns wichtig ist. Hindernisse, Schwierigkeiten. Ja, wir machen natürlich alle auch Fehler. Aber das Entscheidende ist ja, dass wir daraus lernen und es besser machen. Jedes Baby fällt -zigmal auf den Po, bevor es laufen kann. Wenn wir keine Fehler machen und keine Rückschläge erleben würden, würden wir überhaupt keine Fortschritte machen!
Ich erinnere mich daran, wie deprimiert ich war, als ich mich kurz vor dem Ende meines Studiums um ein Zeitungsvolontariat bewarb und nur Absagen kassierte. Natürlich habe ich erst mal gedacht, dass es an mir lag und ich nicht gut genug sei! Aber dann erzählte mir eine Freundin, dass viele Redaktionen nur junge Leute ausbilden, deren Arbeit sie persönlich kennen. Daraufhin habe ich ein Praxissemester eingelegt, einen ganzen Winter lang in einer Zeitungsredaktion gearbeitet und mich im Anschluss dort beworben. Und ich bekam das Volontariat!
Dass wir Menschen Rückschläge unbedingt vermeiden wollen, hat damit zu tun, dass sie nun mal unangenehme Gefühle auslösen. Vor allem auch Scham- oder Schuldgefühle. Es kratzt an unserem Selbstbild, wenn wir etwas nicht gleich so hinkriegen, wie wir uns das vorgestellt haben. Dahinter steckt die Idee, wir müssten in allem perfekt sein. Diese Idee aufzugeben, macht wirklich stark!
Interview: Ulrike Gentner
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