Björn Hirsch denkt über Ideen und deren Umsetzung in der Kirche nach
Es gibt sie mittlerweile in fast allen deutschen Bistümern: Fachstellen für pastorale Innovation mit Ihren Innovationsfonds, Fortbildungs- und Coachingangeboten. Und diese Entwicklung ist wirklich erfreulich. Noch vor zehn Jahren waren Menschen wie Georg Plank mit seinem Beratungsunternehmen „Pastoralinnovation“ noch eher Exoten. Heute sind sie etablierte Wegebereiter und Vordenker für einen kirchenweiten Trend.
Doch was bedeutet eigentlich Innovation? Und ist sie wirklich das ersehnte ‚Allheilmittel‘? Ich möchte diesen Fragen gerne anhand von drei Beispielen nachgehen.
„Und wer ist jetzt für Innovation zuständig?“
Beispiel 1: Neulich verschickte ich eine Infobroschüre des CHURCHBIKES, einem Tool für mobile Pastoral (www.churchbike.de). Prompt kam aus einem Bistum die Antwort: „Bei uns ist Frau Meyer (Name frei erfunden) für Innovation zuständig. Bitte schicken Sie Ihr Heft dorthin!“
Erkenntnis 1: Pastorale Innovation kann keine Aufgabe von bestimmten Fachleuten sein, sondern muss zur Querschnittsaufgabe für alle Bereiche kirchlichen Lebens werden! Innovatives Handeln muss zur Grundhaltung einer Kirche werden, die sich selbst als „ecclesia semper reformanda“, als Kirche der dauerhaften Erneuerung, versteht. Innovation ist nicht das ‚Steckenpferd‘ einiger Kreativer, sondern Aufgabe all jener, die eine zukunftsfähige Kirche mitgestalten wollen.
„Was bringt es wirklich?“
Beispiel 2: Immer wieder höre ich von Menschen, die für ihre gute Idee Förderanträge an kirchliche Werke und Stiftungen stellen. Häufige Antwort: „Ein ähnliches Projekt gibt es schon in Berlin. Daher ist es nicht mehr innovativ und kann nicht bezuschusst werden.“
Erkenntnis 2: Auf den Kontext kommt es an! Was an einem Ort bereits bekannt und damit nicht mehr neu ist, kann an einem anderen Ort oder in einem anderen Kontext die Innovation schlechthin sein. Es kommt nicht darauf an, dass etwas einfach nur neu ist. Die Relevanz des Projektes für eine bestimmte Zielgruppe ist entscheidend.
Wer braucht schon einen ‚Butterstick‘ für die Handtasche oder einen Baby-Strampler mit angenähtem Wischmopp? Natürlich sind diese Dinge relativ neue Erfindungen. Sie lösen aber kein vorhandenes Problem und sind daher für niemanden nützlich. Seit das CHURCHBIKE vor wenigen Wochen auf den Markt kam, haben wir mehrere dutzend Anfragen erhalten. Natürlich gibt es schon viele Projekte im Bereiche mobiler Pastoral – Eistrucks, Kirchenrikschas und Kaffee-Apen. Und dennoch gibt es noch viele Situationen, in denen es ein solches Vehikel dringend braucht. Damit scheinen Thema und Tool eine echte Relevanz zu haben und behaupten dadurch ihre Innovationskraft.
„Schaffen wir das überhaupt?“
Beispiel 3: Vor zwei Tagen war ich bei einem Vernetzungstreffen von Multiplikatoren für pastorale Innovation in unserem Bistum. In einer Kleingruppe sagte jemand zu mir: „Du bist wirklich innovativ, aber deine Projekte sind immer so groß.“
Erkenntnis 3: Innovation muss machbar sein! Sobald der Eindruck entsteht, dass eine Innovation zwar gut ist, aber sie für mich und meine Arbeit nicht adaptierbar zu sein scheint, führt es zur Entmutigung und dazu, dass ich sie von vornherein verwerfe. Hier ist es wichtig, zu zeigen, dass innovative Projekte in den allermeisten Fällen kein ‚Hexenwerk‘ sind. Oft sieht es von außen größer aus, als es tatsächlich ist, besonders, wenn das Marketing stimmt. Am Ende der Kleingruppe sagte dieselbe Kollegin: „Eigentlich war unser viel beachtetes Kindertheaterprojekt von der Sache her nichts anderes, als das alljährliche Krippenspiel.“
Wir können oft mehr, als wir denken. Und es muss sich noch viel mehr herumsprechen, damit Menschen den Mut entwickeln, neue Wege zu gehen.
Mehr als nur Ideen
Was immer klarer wird: Pastorale Innovation ist eine kirchliche Querschnittsaufgabe, die sich durch eine hohe Nutzerrelevanz und Machbarkeit auszeichnet. Es ist gut, dass es auch weiterhin Fachstellen in den Bistümern und Landeskirchen gibt, die sich in besonderer Weise mit Innovationstheorien und ihrer Adaption für den kirchlichen Bereich befassen, Fördertöpfe und konkrete Projekte initiieren und dem Thema nach außen hin ein Gesicht geben.
Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass nur hier Neues entsteht, und der Rest kirchlichen Lebens davon gänzlich unberührt bleibt. Ich halte den Weg, den das Bistum Fulda beschritten hat, für sehr gut. Hier hat das entsprechende Referat entschieden, von Beginn an in die Breite zu gehen und jedes Jahr sechszehn Haupt- und Ehrenamtliche aus den Pfarreien und Einrichtungen durch die SHIFT-Ausbildung zu Multiplikator:innen für das Thema Innovation auszubilden. Nach der Ausbildung stehen sie selbst für das Thema und fördern es in der Fläche, in dem sie beispielsweise sogenannte INNOTIZER, dreistündige Workshops vor Ort, anbieten oder das Erlernte direkt in ihrer Arbeit mit dem lokalen Pastoralteam anwenden.
Auf diese Weise ist in nur einem Jahr ein Team von rund 40 Personen entstanden, aus dem heraus über ein dutzend Veranstaltungen, Publikationen und Tools hervorgegangen sind. Aktuell ist eine Konferenz mit dem Titel ‚Handfest‘ in Planung, die dem Thema ebenfalls noch einmal Reichweite geben soll. So wird Innovation zugänglicher, verständlicher und kann hoffentlich in Zukunft zu einer Grundhaltung kirchlichen Handelns in diesem Bistum und darüber hinaus werden.
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