Janina Zang Ikonen

Sinn  

Hier ist alles Gold, was glänzt

Ikonen – Fenster zur Ewigkeit

Die Ikonographie ist für Janina Zang eine Berufung und ein Lebensweg zugleich. Ein Weg, dessen Beginn zufällig war.

Es war während ihres Volontariats im „Amira Basma Zentrum für körperbehinderte Kinder“ auf dem Ölberg in Jerusalem, als sie gefragt wurde, ob sie nicht Lust habe, Ikonenschreiben zu lernen. Janina Zang probierte es aus und war fasziniert. So fasziniert, dass sie nicht nur weitere Kurse belegte, sondern sich 2008 als Ikonenschreiberin selbstständig machte.

Warum werden Ikonen geschrieben?

Wohl über 100 Ikonen hat sie seitdem schon gemalt, genauer gesagt: geschrieben. Dies erklärt sich aus der Übersetzung der griechischen Worte „ikonos“ für Bild, Abbild und „graphein“ für schreiben. Auch im Russischen spricht man von „pisat´“, also schreiben. Außerdem verbinden wir mit dem Begriff „Malen“ eine kreative, persönliche Ausgestaltung eines Bildes. Ganz anders bei einer Ikone: Hier tritt der Künstler hinter die Ikone zurück.

Ikonen werden nicht signiert, der Künstler bleibt anonym.

„Man bringt sich durch das Gebet ein“, beschreibt Janina Zang die Rolle des Ikonenschreibers. Da eine Ikone die überlieferten Texte des Evangeliums eben nicht mit Worten, sondern mit Farben, Linien und Formen ausdrückt, werden die Ikonen immer wieder kopiert und weitergetragen, genau wie früher die Texte des Evangeliums wortgetreu kopiert wurden.

Nichts ist zufällig

Auch im 21. Jahrhundert folgt der Ikonenschreiber dabei genau vorgeschriebenen Regeln. Egal ob Farbe, Material oder Aussehen der Heiligen – nichts ist zufällig, alles hat seine Bedeutung. „Ich lese die Heilige Schrift ja auch und schreibe sie nicht um“ verdeutlicht Janina Zang.

Typisch für Ikonen ist beispielsweise die Zweidimensionalität. „Diese Darstellungsform verdeutlicht, dass die Ikonen von unserem Raum- und Zeitverständnis entrückt sind“, erklärt sie. Jedem Heiligen sind außerdem ein bestimmtes Gewand und bestimmte Gesichtszüge zugeordnet, damit er leichter erkannt werden kann. So wird Jesus immer mit langem, leicht gewelltem Haar gezeigt, dass auf der Schulter liegt. Außerdem trägt er einen Bart. In seinem Heiligenschein ist stets ein Kreuz zu sehen, das auf seinen Opfertod hindeutet.

Farben mit Bedeutung

Auf allen Ikonen trägt Christus ein blaues Übergewand und ein rot-braunes Untergewand. „Das blaue Übergewand symbolisiert die Göttlichkeit, das Rot-Braun die Menschlichkeit“, erklärt die 39-Jährige die Symbolik der Farben. In der Wahl des genauen Farbtons ist der Künstler dann aber frei, genau wie er auch die Intensität der Farben variieren kann. Janina Zang verwendet Ei-Temperafarben. Diese farbintensiven und leuchtstarken Farben rührt die Künstlerin aus Farbpigmenten und einer Ei-Emulsion als Bindemittel selber an – so wie Generationen von Ikonenschreiber vor ihr.

Ein ganz wichtiges, ebenfalls vorgeschriebene Element sind der goldene Hintergrund und Heiligenschein der Ikonen, die das göttliche Licht symbolisieren. Zudem ist jede Ikone mit dem Namen des dargestellten Heiligen beschriftet. Erst dadurch werde das Abbild des Heiligen zur Ikone, erklärt die Ikonographin.

„Unheimlich kreativ“

Bis es soweit ist, können durchaus bis zu 100 Arbeitsstunden vergehen. Grundieren, schleifen, abzeichnen, lasieren, vergolden, polieren – es ist ein zeitaufwendiger Weg, bis eine Ikone fertig gestellt ist. Ein Beispiel: An der Ikone der Gottesmutter von Chora, die gerade mal 18,5 auf 36 Zentimeter misst, hat sie 41 Stunden gearbeitet.

Trotz aller Regeln und des immensen Zeitaufwands – für Janina Zang ist das Ikonenschreiben „unheimlich kreativ“. Und genau so, wie man beim Lesen der Bibel immer wieder Neues entdecke, entdecke man auch beim Betrachten der Ikonen immer wieder neue Dinge. “Es ist eine lebendige Tradition”, sagt sie und zeigt ihr Atelier, in dem Ikonen in unterschiedlichen Stadien der Fertigstellung stehen und liegen.

Sie schreibt bevorzugt Ikonen, die sie persönlich ansprechen und faszinieren, darunter immer wieder Christus Pantokrator, die Gottesmutter von Chora und die Heilige Maria von Ägypten, eine ihrer Lieblingsikonen. „Mir ist es ganz wichtig, dass man mehr über heilige Frauen erfährt“, begründet sie ihre Wahl. Denn sie seien in der Kirchengeschichte oft vernachlässigt worden. Auch die vermutlich berühmteste Ikone, die Dreifaltigkeit des russischen Ikonenschreibers Andrej Rubljev, hat sie schon selber geschrieben. Hieran faszinieren sie die Farben und sie sanften, zarten schwebenden Figuren.

Jesus Zang Ikone
Zwei Lieblingsikonen: Jesus Pankrator und
Zang Rubljev
die Dreifaltigkeit von Andrej Rubljev.

Vorgeschmack des Reich Gottes

Für orthodoxe Gläubige sind Ikonen viel mehr als nur Bilder: Durch sie soll eine Beziehung zwischen Betrachter und Bildwerk hergestellt werden. Jedes Gebet vor einer Ikone ist ein Blick in die andere, die göttliche Welt und ein Vorgeschmack des Gottesreiches. „Ikonen werden gern als Fenster zur göttlichen Welt, zur göttlichen Dimension bezeichnet“, erklärt sie. Auch „Fenster zur Ewigkeit“ sei ein gern genutzter Begriff. Doch sie bevorzugt den Begriff „Türen“. Denn durch Türen kann man durchgehen und eine Beziehung zum Dargestellten herstellen, während man durch ein Fenster nur durchschaut.

Ich wünsche mir, dass meine Ikonen anderen helfen, mit Gott ins Gespräch zu kommen.

www.janina-zang.de


Anette Konrad

Ohne Block und Stift geht sie nie aus dem Haus. Denn die Journalistin könnte ja unterwegs auf ein spannendes Thema stoßen. Die promovierte Historikerin und Slavistin schreibt gerne über geschichtliche Themen, porträtiert faszinierende Menschen, verfasst aber auch Unternehmensporträts und Reisereportagen. Dabei verbindet sie Berufliches mit ihrer großen Leidenschaft: dem Reisen. Seit sie einige Monate in Moskau studiert hat, zieht es sie immer wieder nach Osteuropa. Im Heinrich Pesch Haus verantwortet sie die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

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