Hildegard Aepli

Hildegard Aepli

Menschen zuhören wie Momo es konnte. Zuhören, damit das Leben von suchenden Menschen in eine Auslegeordnung kommt, sodass es neu gesehen und gewagt werden kann. Darum geht es Hildegard Aepli in der Aufgabe als geistliche Begleiterin und Exerzitienleiterin. Im Bistum St. Gallen leitet sie die Abteilung Spiritualität und Bildung. Im Lassalle-Haus im schweizerischen Bad Schönbrunn begleitet sie regelmäßig Exerzitien.

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02.12.2020 Uncategorized
Lassalle Haus

Die Geborgenheit des Betons

Was Exerzitien im Lassalle-Haus ausmacht Vier Wochen aus dem Alltag ausklinken: So viel Zeit nimmt man sich eigentlich nur für eine größere Kreuzfahrt oder eine kleine Weltreise. Aber 30 Tage nur mit Schweigen verbringen? Noch dazu am selben Ort? Hildegard Aepli leitet im Lassalle-Haus in der Schweiz die sogenannten großen Exerzitien. Hier berichtet sie davon. Sich vier Wochen ausklinken? Und dabei schweigen. Wie verrückt ist denn das! Und – was bringt mir das? Am einfachsten lässt es sich so sagen: Diese Auszeit ist ein Weg nach innen. Es ist ein Weg, der anleitet, wie ich aus dem Oberflächlichen in die Tiefe finde, in größere Zusammenhänge sehe, mich selber besser kennen lerne. Es ist ein Weg aus der Zerstreuung in die Sammlung. Zu sich selber. Zum eigenen Kern. Es ist der christliche Weg auf der Suche nach sich selber. Es ist ein Weg entlang der ganz großen und wesentlichen Fragen: Wer bin ich? Wer bin ich für Gott? Wie hat Gott mich gedacht? Diese Auszeit, sie heißt für Insider auch «Exerzitien», ist ein Weg, auf dem ich meiner Sehnsucht nach einem erfüllten, glücklichen Leben folge und dabei begleitet und angeleitet werde. Wie erlebe ich als Leiterin diese Zeit? Ich wohne 30 Tage in einem hübschen, aber kleinen Zimmer im Lassalle-Haus. In den ersten Nächten schlafe ich schlecht. Ich tauche mit der Gruppe in die große Stille ein, in einen Rhythmus, der Tag für Tag gleich bleibt. Ich brauche keinen Terminkalender. Ich weiß, mein Wecker klingelt um 6.15 Uhr. Um 7 Uhr stehe ich bereit und leite draußen mit Blick über das Zugerland Qi Gong-Übungen an. Das tut mir selber gut. Ich übe Langsamkeit. Ich spüre meinen Atem, meinen Körper. Ich genieße die Vogelstimmen, die sanfte Berührung der Morgenluft. Danach gehen wir in die Kapelle zu einem kurzen Morgengebet. Nach einem Lied lauschen wir dem Klang der Worte aus der Bibel: Gott, du meine Kraft und meine Zuversicht … Diese Worte legen eine Spur in den neuen Tag. Nach dem Frühstück beginnen für mich die Gespräche mit jeder einzelnen Teilnehmerin, jedem Teilnehmer. Ich höre allen eine knappe Stunde zu. Täglich. Mir wird erzählt vom vergangenen Tag, von den persönlichen Erfahrungen, vor allem von den Meditationen mit Bibeltexten. Ich höre nicht nur zu, ich gebe auch mein Wissen für diesen Weg nach innen weiter und ich ermuntere, Neues auszuprobieren. Am Nachmittag habe ich Zeit für die Vorbereitung auf den Gottesdienst und die thematischen Impulse am Abend. Es folgen weitere Gespräche. Der Tag schließt mit einem gemeinsamen Dasein in einer der Kapellen des Lassalle-Hauses. Das ist für mich ein starker Moment. Ich liebe diese Kapellen, ihre Schlichtheit und ihre Ausstrahlung. Jetzt kann ich einfach da sein. Ich lege meinen Tag zurück in Gottes Hände, sage danke für jeden Menschen, der hier ist und sich bemüht auf seinem Weg nach innen. Was tun die Teilnehmenden? Ganz Wichtiges beginnt schon vor der Auszeit. Es gilt, sich von zu Hause zu verabschieden, vielleicht von der Freundin, dem Partner, der Familie. Auch von der Arbeit. Und von der eigenen Wohnung, den Freunden, Haustieren und auch vom Internet, den sozialen Medien, dem Handy überhaupt. Das ist ein wichtiger Schritt: Ich verzichte auf vieles, was mich im Alltag trägt. Ich trete aus den Gewohnheiten und Ablenkungen heraus. Die meisten Teilnehmenden spüren eine Sehnsucht. Sie wollen Zeit schenken, was im Alltag zu kurz kommt: der Beziehung zu Gott, zu Jesus und zu sich selber. Sobald das Schweigen beginnt, geschieht es vielen, dass sie zuerst einem gewaltigen inneren Lärm begegnen. Alles, was unerledigt ist oder im Streit war, kommt hoch. Da braucht es am Anfang Zeit, bis sich diese Wellen gelegt und nach und nach Sammlung und Stille eintreten können. Der Tag der Teilnehmenden, das gehört auch zu den Aufgaben am Anfang, soll eine Struktur bekommen, die nachher für jeden Tag gleich bleibt. Dazu gehört auch Bewegung, Tagebuchschreiben, Schlaf. In dieser Tagesstruktur nehmen sich alle bis zu vier Stunden Zeit, verteilt auf den Tag und den Abend, um nach einer bestimmten Methode bei Bibeltexten zu verweilen. Die Methode ist so angelegt, dass ein persönlicher Zugang zum Bibeltext gesucht wird in der Form eines inneren Films. In diesen Film beame ich mich mit meiner Kreativität und Phantasie selber hinein, wie wenn ich Teil des Geschehens wäre. Auf diese Weise erleben die Menschen, dass die Bibel gar kein fremdes und kompliziertes Buch ist. Plötzlich merken sie, dass die Bibel auch von ihnen spricht. Nach einer Zeit mit dem Bibeltext folgt das Gebet. Damit ist das ganz persönliche, echte und ehrliche Sprechen mit Jesus gemeint. Das ist eine wichtige Übung und Erfahrung dieser Auszeit: Durch das innere Sprechen mit Jesus und auch das Horchen auf seine Worte wächst Freundschaft. Es ist keine aufgesetzte Freundschaft, auch nicht eine im Kopf, sondern eine ganz tiefe Herzensverbindung. Was bewirken die Exerzitien? Im Laufe der 30 Tage machen fast alle Menschen eine Gotteserfahrung. Sie erleben in einer Meditationszeit oder beim Mittagsschlaf, beim Spaziergang oder auch in einem Traum etwas, das sie zutiefst berührt, das erhebend und schön ist. Und sie wagen im Einzelgespräch darüber zu sprechen und zu hören, dass ich ihrer Erfahrung glaube. Das sind Höhepunkte und Momente, die fürs ganze Leben wichtig sind. Ein Beispiel: Eine Frau meditierte die Bibelstelle vom großen himmlischen Gastmahl bei Jesaja 25,6. Sie schaute sich die riesige Tafel Gottes an und wußte augenblicklich: An diesen Tisch gehöre ich dazu, an diesem Tisch gibt es einen Platz für mich. Dieses Erlebnis war für diese Exerzitandin umwerfend. Dieses innere Bild ist für sie zum Schlüssel ihrer persönlichen Gottesbeziehung geworden. Solche Beispiele sind in den großen Exerzitien nicht selten. Trotzdem bin ich jedes Mal selber überrascht darüber, welche unglaublich kreativen Wege Gott findet, sich einem Menschen anzunähern.Genauso wichtig sind aber ganz unspektakuläre Dinge: treu sein zu den Meditationen; durchhalten, wenn es zäh ist, wenn die Frage kommt, ob das alles überhaupt etwas bringt; vertrauen, dass etwas wächst im Verborgenen; dabei bleiben und hoffen, dass die Kraft von Gott wirkt und den ganz persönlichen Weg von allen mitgeht, beschützt und trägt. Fotos: Stefan Kubli Das Lassalle-Haus … Read more

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Menschen zuhören wie Momo es konnte. Zuhören, damit das Leben von suchenden Menschen in eine Auslegeordnung kommt, sodass es neu gesehen und gewagt werden kann. Darum geht es Hildegard Aepli in der Aufgabe als geistliche Begleiterin und Exerzitienleiterin. Im Bistum St. Gallen leitet sie die Abteilung Spiritualität und Bildung. Im Lassalle-Haus im schweizerischen Bad Schönbrunn begleitet sie regelmäßig Exerzitien.