Aufstehen und in Bewegung kommen: Über ein alternatives Projekt zur Stärkung der Demokratie
Das Heinrich Pesch Haus in Ludwigshafen und die evangelische Akademie der Pfalz rufen dazu auf, sich im Blick auf die Europawahlen für die Demokratie in Bewegung zu setzen: Sich mental in Bewegung zu setzen, indem man mit Fremden und Freunden einfach Freude an der Bewegung hat. Dazu werden wir von einem Tai Chi Lehrer angeleitet. Dann aber auch gemeinsam in die Debatte zu finden, nachzudenken und sich zu vernetzen. Denn unsere Demokratie braucht jetzt, dass ihre Freundinnen und Freunde die Türen öffnen, Gesicht zeigen und aktiv werden.
Wir leben in einer stabilen offenen und demokratischen Gesellschaft, in einer bunten Gesellschaft, weil sich jede Person hier frei entfalten darf, solange sie anderen nicht deren Recht dazu bestreitet. Das macht das Leben in unserem Land bei allen Herausforderungen, vor denen wir stehen, attraktiv. Den Rahmen eröffnet seit 75 Jahre erfolgreich das Grundgesetz.
Die Menschen stehen in Mehrheit sehr positiv zu dieser Verfassung. Verteidigt werden aber muss die freiheitliche Ordnung von innen her, von Menschen, die den Feinden von Freiheit, Toleranz und Friedfertigkeit die rote Karte zeigen; Menschen die Hassrede in ihrem Umfeld nicht tolerieren.
Gemeinsam Initiative
Den Feinden der Demokratie die rote Karte zeigen: Aufstehen für Menschenwürde und Demokratie – unter diesem Motto haben das Bistum Speyer und die Evangelische Kirche der Pfalz am 17. Mai 2024 eine gemeinsame Initiative gestartet. Die deutschen Bischöfe haben erklärt: „Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar“.
Diese Unvereinbarkeit dürfe sich, so die inhaltliche Positionierung des Bistums Speyer, nicht nur in Erklärungen, Predigten oder Positionierungen zeigen. Sie solle auch in unserem Handeln erkennbar werden, d.h. in unserem konkreten Umgang mit rechtsextremistischen Parteien, Strömungen, Politiker/innen und Anhänger/innen.
Es gehe darum sich, von jeder Form von Überhöhung einer so genannten „deutschen Identität“ abzugrenzen und von einer Relativierung der Schattenseiten deutscher Geschichte, von der Abwertung von Menschen anderer Nationen, Kulturen und Bevölkerungsgruppen, von jeder Form von offenem oder verstecktem Antisemitismus und von Ausländerfeindlichkeit sowie von jeder Diskriminierung aufgrund von Religion, Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Identität.
Im Rahmen dieser Aktion laden Heinrich Pesch Haus und die evangelische Akademie der Pfalz ein, gemeinsam in Bewegung zu kommen. Denn Trägheit, Gleichgültigkeit und Verachtung von Kompromissen, die mir abnötigen, einen Schritt weg von meinen Überzeugungen auf Andere zuzugehen, das sind wirklich gefährliche Gegner einer menschfreundlichen und demokratischen Ordnung.
Gegen mentale Gegner
Wenn viele nicht wählen, weil sie angeblich niemand da wäre, der wählbar ist. Dann geben die, die schweigen, ihr Recht nicht ausüben und sich nicht einbringen den Scharfmachern Raum – und die werden lauter. Dabei steht eine wirklich überwältigende Mehrheit der Deutschen zur Verfassung. Wir wollen mit Tai Chi und Freude an der Bewegung uns mental in Bewegung setzen. Denn Angst vor Neuem und vor Veränderung sind zwei andere mentale Gegner, die ebenfalls das Wasser auf die Mühlen von Hass und Populismus leiten.
Eine Wagenburgmentalität, die darauf beharrt, alles müsse bleiben, wie es ist, Gleichgültigkeit und Angst vor Neuem, sie alle haben mit Bequemlichkeit zu tun.
Wir geben zu, »Tai Chi für Demokratie« klingt erst einmal ein wenig dadaistisch. Und das ist Absicht. Wir wollen Menschen zur Begegnung einladen, zum Gespräch jenseits vorgefertigter Konzepte, was die Situation betrifft, jenseits fertiger Rezepte für Lösungen und jenseits der Schubladisierung von Andersdenkenden.
Veranstaltungsempfehlung
„In Bewegung kommen – Aufstehen üben: Tai Chi für Demokratie“:
Am Dienstag, 4. Juni 2024 von 16.00 bis 18.00 Uhr im Friedenspark in Ludwigshafen
Jenseits der Geduld des Papiers
Demokratie und Menschenwürde entfalten ihre lebendige Kraft jenseits des Papiers im Gesetzestext erst, wenn wir Bürgerinnen und Bürger in Bewegung kommen, uns wieder offen füreinander interessieren und für Menschenwürde und Demokratie aktiv zu engagieren. Sonst bekommen die Scharfmacher an den Rändern Oberwasser. Offenheit meint aber nicht Beliebigkeit. Es meint auch Entschiedenheit, jenen entgegen zu treten, die die Offenheit der Demokratie nur dazu nutzen, ihre Parolen und ihren hinaus zu plärren.
Tai Chi für Demokratie ist deshalb auch eine Einladung, aufrecht zu stehen und sich nicht einschüchtern zu lassen von den Hasstiraden.
Und Tai Chi für Demokratie ist eine Einladung zu Gelassenheit, die aus der Heiterkeit schöpft. Wir leugnen mit diesem etwas dadaistischen Titel nicht all die Furchtbarkeiten, die rund um uns passieren; Wir leugnen nicht, dass wir vor vielen sehr ernsten Herausforderungen stehen. Aber wir rufen auf zu etwas Gelassenheit, weil wir an die Kraft unserer Gemeinschaft bei allen Meinungsunterschieden und allem Streit glauben, wenn wir uns nur nicht auseinandertreiben lassen.
Und wir glauben daran, dass vom permanenten Krisenmodus, in den wir hineingeredet werden, auch von Rednern aus der demokratischen Mitte, nur die Scharfmacher und Polarisierer profitieren, also nur die Feinde von einem gesellschaftlichen Zusammenhalt, wo Andersdenkende nicht zu Feinden gemacht werden; Feinde einer offener Gesellschaft, in der sich Menschen frei entfalten können; Feinde einer wehrhaften, demokratischen Ordnung, die über die Würde und die Rechte aller Personen wacht.
Und dies sind also die Thesen, über die wir gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen würden:
1. Aufstehen für Demokratie und Menschenwürde bedeutet, dafür einzustehen, dass es keine Menschen zweiter Klasse gibt.
- Als Christinnen und Christen sind wir nicht bereit, uns mit politischen Positionen und Konzepten zu arrangieren, die die Würde von Menschen, die das Grundgesetz jeder Person zusichert, einschränken oder verletzen.
- Wir finden uns nicht damit ab, dass Bürgerinnen und Bürger aufgrund ihrer religiösen Identität, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder ihrer sexuellen Identität herabgewürdigt, angefeindet oder gar physisch angegriffen werden. Islamfeindlichkeit lehnen wir ab. Mit besonderer Sorge beobachten wir den zunehmenden Antisemitismus.
2. Aufstehen für Demokratie und Menschenwürde ist ein Aufruf zu freiem und mündigem politischem Engagement innerhalb der vielen Möglichkeiten, die uns Grundgesetz und politische Kultur in Deutschland eröffnen. Es ist kein Aufruf zum Widerstand.
- Demokratie und Meinungsfreiheit funktionieren. Wir müssen uns weder die »Demokratie zurückholen«, noch angebliche Systemfehler mit radikalen Mitteln oder gar Gewalt bekämpfen.
- Als Christinnen und Christen engagieren wir uns für eine Politik des menschlichen Augenmaßes, für die der demokratische Kompromiss kein Verrat ist.
- Wir setzen uns für Reformen ein, wo Reformen nötig sind, unter Bewahrung der grundsätzlichen Integrität der bestehenden demokratischen Ordnung auf der Basis des Vertrags von Lissabon und der UN-Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen.
3. Aufstehen für Demokratie und Menschenwürde bedeutet, Haltung im Alltag beweisen und allen zu widersprechen, die Hass verbreiten, abwertend über andere reden oder versuchen, Menschen und Gruppen mit Gewalt einzuschüchtern.
- Egal ob im privaten oder im öffentlichen Raum: Als Christinnen und Christen stehen wir für eine wertschätzende Kommunikation mit- und übereinander ein, auch da, wo es schwer wird, weil Menschen andere Interessen verfolgen, andere Lebensentwürfe verkörpern oder andere Meinungen vertreten.
4. Aufstehen für Demokratie und Menschenwürde ist ein Zeichen der Solidarität mit Journalistinnen und Journalisten und Politikerinnen und Politikern, Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern, die bedroht werden – egal in welchem Bereich des demokratischen Spektrums sie sich bewegen.
- Für uns als Christinnen und Christen ist es eine Frage der Würde, uns nicht durch eine pauschale Schelte über Eliten manipulieren zu lassen.
- Wer dem Staat und der Gesellschaft auf der Basis der rechtsstaatlichen Ordnung dient, hat Respekt und Unterstützung verdient, auch wenn er oder sie andere politische Meinungen vertritt oder umsetzen muss.
- Wir erwarten vom Staat, dass er Menschen, die ihm in Politik, Justiz und Journalismus für die gelebte Demokratie engagieren und einsetzen, wirksam schützt.
Foto: © Vasil Dimitrov/iStock.com