Fastenzeitimpuls Demut

Sinn  

Demut

Ein Impuls von Klaus Mertes zur Fastenzeit (6)

„Tu Gutes und sprich darüber.“ So lautet das Mantra aller Öffentlichkeitsarbeit. Hunderttausende Profis sind ständig dabei, gute Nachrichten zu produzieren und Kampagnen zu starten, um Hilfsorganisationen, NGOs und andere soziale Einrichtungen zu fördern und Spenden zu akquirieren.

Ich las kürzlich eine Geschichte, eine Legende, die wie ein Gegenprogramm klingt. Sie trägt den Titel „Heiliger Schatten“, und geht so: Es war einmal ein Mann, der so gütig war, dass die Engel Gott baten, ihm die Gabe zu verleihen, Wunder zu tun. Gott in seiner Weisheit riet ihnen, den Mann zu fragen, ob er das überhaupt wolle. Die Engel besuchten also diesen gütigen Mann und boten ihm zuerst die Gabe des Heilens durch Handauflegung und viele weitere Gaben an. Der Mann schlug alle Angebote aus. Doch als die Engel sehr drängten, sagte er: „Nun gut, dann wünsche ich mir, dass ich viel Gutes tun werde, ohne es jemals zu wissen.“

Der »Heilige Schatten«

Die Engel waren sehr verwundert. Sie berieten sich und beschlossen dann Folgendes: Jedes Mal, wenn der Schatten des heiligen Mannes hinter ihn falle, habe er die Macht, Krankheiten zu kurieren, Schmerzen zu lindern und Trost zu spenden. So geschah es, dass sein Schatten die öden Pfade hinter ihm grün werden ließ, blassen Kindern eine gesunde Farbe und unglücklichen Männern und Frauen Freude geschenkt wurde.

Der Mann lebte sein tägliches Leben weiter und verbreitete zugleich, ohne sich dessen bewusst zu sein, Tugend wie Blumen den Duft. Die Menschen respektierten seine Bescheidenheit und folgten ihm schweigend, ohne je über seine Wundertaten zu sprechen. Bald vergaßen sie sogar seinen Namen und nannten ihn nur noch den „Heiligen Schatten“.

Soweit die Geschichte. Ich will nun damit nicht den Menschen, die Öffentlichkeitsarbeit für eine gute Sache machen, entmutigen. Doch die Geschichte weist auf eine Falle hin.

Wer viel Gutes tut und das auch weiß, kann selbstgerecht werden. Er oder sie ist dann mehr am eigenen guten Image interessiert als an dem Guten, das er tut.

Dagegen hilft nur eine Medizin. Sie trägt den schönen Namen „Demut“.


Klaus Mertes

Als Klaus Mertes, geb. 1954, noch nicht wusste, dass er eines Tages Jesuit, Lehrer und Kollegsdirektor werden sollte, hatte er eigentlich zwei Berufswünsche: Entweder in die Politik gehen und Reden halten, oder an die Oper gehen und als Tristan in Isoldes Armen sterben. Rückblickend lässt sich sagen: Als katholischer Priester kann man beides gut kombinieren: Öffentlich reden und öffentlich singen. Die Jugendlichen, die Eltern, die Kolleginnen und Kollegen in den Schulen und alles, was so im Lebensraum Schule und Internat anfallen kann, halfen ihm, vor den großen Fragen nicht zurückzuschrecken und zugleich bei den Antworten nach Möglichkeit nicht abzuheben. Seit Sommer 2020 hat er den Schuldienst nun verlassen und ist seitdem vor allem publizistisch und seelsorglich in Berlin tätig.

Foto: Wolfgang Stahl

Weiterlesen

13.02.2025 Zusammenleben
Thomas Dienberg

Was macht gute (kirchliche) Führungskultur aus?

Zeiten von Veränderung fordern Führungskräfte heraus. Was gibt Klarheit? Und worin besteht überhaupt eine gute Führungskultur? Ein Interview mit dem Kapuziner Thomas Dienberg, der Führungskräfte begleitet und auch im kirchlichen Kontext wirkt.

weiter
10.02.2025 Versöhnung
Thomas von Aquin Traurigkeit

Weinen, schlafen, baden

Immer wieder mal traurig zu sein, gehört zum Leben. Wie aber können wir mit den eigenen Traurigkeiten so umgehen, dass sie uns nicht verbittern lassen und dass wir gleichwohl ein gutes Leben führen können? Der große Philosoph und Theologe Thomas von Aquin, vor 800 Jahren geboren, gibt dazu hilfreiche Hinweise, die auch heute aktuell sind.

weiter
03.02.2025 Sinn
Alfred Delp

„Die Geburtsstunde der menschlichen Freiheit ist die Stunde der Begegnung mit Gott.“

80 Jahre nach der Hinrichtung von Alfred Delp erinnert sein Vermächtnis an den Mut des Kreisauer Kreises – und stellt drängende Fragen an unsere Gegenwart. Wie viel seiner Vision einer gerechten, freien Gesellschaft bleibt in einer Zeit erhalten, in der Grenzen dichtgemacht und Solidarität infrage gestellt wird?

weiter