Alexander Mack

Nachhaltigkeit  

Fairtrade town, Fairphone und solidarische Landwirtschaft

Was wir für eine sozial-ökologische Transformation machen können – Interview mit Alexander Mack

Sozial-ökologische Transformation – ein Schlagwort, das man zurzeit immer häufiger hört und liest. Alexander Mack befasst sich beruflich mit diesem Thema. Im Interview erläutert er, was sich hinter diesem Begriff verbirgt und was es braucht, damit die sozial-ökologische Transformation gelingen kann.

Herr Mack, Sie sind noch recht neu beim Heinrich Pesch Haus für den Bereich sozial-ökologische Transformation zuständig. Worum geht es da genau?

Wir leben im Zeitalter des Anthropozän, in dem wir Menschen einen wesentlichen Teil zur Veränderung des Planeten Erde beitragen. Dazu finde ich das Modell der „Planetaren Belastungsgrenzen“ sehr aussagekräftig, das von Wissenschaftler*innen rund um Johan Rockström erarbeitet wurde: Drei der neun Grenzwerte, die zur Bewertung des Zustands des Ökosystems Erde definiert wurden, sind schon überschritten. Bereits jetzt beobachten wir einen signifikanten Rückgang der Artenvielfalt, speisen in Form von Chemikalien und Plastik unzählige Fremdstoffe ins Ökosystem ein und haben den Stickstoffkreislauf der Atmosphäre stark beschädigt. Dazu kommt die immer weiter fortschreitende Erhitzung der Erde.

Wir Menschen stehen also vor enormen Herausforderungen, wenn wir unserer Verantwortung noch gerecht werden wollen.

Gleichzeitig verfügen wir über das Wissen, die Technik und vermehrt auch über die Bereitschaft, um die tiefgreifende Veränderung unserer Wirtschafts- und Produktionsweisen, unserer Konsummuster und Lebensstile anzuschieben, die wir dazu brauchen – hier sind wir bei der eingangs erwähnten sozial-ökologischen Transformation. Was das genau bedeutet, wie diese gelingen kann und welchen Beitrag Politik, Unternehmen, Kirche, Zivilgesellschaft und wir alle ganz persönlich leisten können, wollen wir im Heinrich Pesch Haus (HPH) mit dem neuen Arbeitsschwerpunkt thematisieren.

Mit Informations-, Reflexions-, Austausch- und Bildungsangeboten, unserer Online-Akademie und der digitalen Debattenplattform „Sinn & Gesellschaft“ bringen wir Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven, Kompetenzen und Erfahrungen miteinander ins Gespräch, wie es bereits Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si gefordert hat. Zusammen mit den unterschiedlichen Akteur*innen wollen wir einen Beitrag dazu leisten, das Ökosystem der Erde zu bewahren und ein menschenwürdiges Leben für alle auch in Zukunft möglich zu machen.

Wie wollen Sie diese neue Stelle prägen?

Da die Herausforderungen und Veränderungen rund um Klimawandel und Transformation gewaltig sind und uns alle betreffen, brauchen wir darüber eine Debatte innerhalb unserer gesamten Gesellschaft. Daher ist es mir mit Blick auf die Bildungsarbeit im HPH besonders wichtig, heterogene Zielgruppen anzusprechen, wie wir es auch bei anderen Themen schon immer praktizieren.

So diskutiere ich im Herbst 2022 bei einem Seminar mit Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten, was unser Konsum mit dem Klimawandel zu tun hat. Am 1. April 2023 veranstalten wir gemeinsam mit dem Referat Seelsorge für Menschen mit Behinderung im Bistum Speyer mit „Jede*r kann die Welt verändern“ einen nachhaltigen und inklusiven Aktionstag, bei dem Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen Zusammenhänge des Klimawandels und Handlungsweisen dagegen kennenlernen. Mit zahlreichen anderen Workshops, Tagungen und Online-Veranstaltungen sprechen wir ein breites Publikum an.

Ich versuche, die Erfahrungen und Netzwerke aus meinen bisherigen beruflichen Stationen in den neuen Schwerpunkt im HPH einzubringen, und freue mich auf die Zusammenarbeit mit bekannten und neuen Kooperationspartner*innen. Gemeinsam können wir sicher viele spannende Akzente setzen und damit Mensch sowie Gesellschaft auf dem Weg in eine ökologischere Gesellschaft begleiten.  

Sozio-ökologische Wende

Was wären Schritte, die die Politik gehen müsste, um einen Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation zu leisten?

Politik findet auf vielen Ebenen statt und kann von uns allen mitgestaltet werden. In unserem föderalen System haben Kommunal- und Landespolitik gerade im Bereich Klimaschutz- oder Klimaanpassung zahlreiche Handlungsmöglichkeiten wie etwa die Gebäudesanierung, die Ausgestaltung und Finanzierung des ÖPNV oder das Beschaffungswesen in kommunalen Einrichtungen wie Behörden und Schulen. Daher können wir an vielen Stellen schon längst loslegen und brauchen nicht auf Entscheidungen „von oben“ zu warten. Ludwigshafen etwa zeigt mit der Zertifizierung als Fairtrade Town schon beispielhaft, wie es gehen kann.

In der bundesweiten Politik spielen sicherlich die Sektoren Energie, Landwirtschaft, Industrie und Mobilität die größte Rolle. In letzterem Bereich gibt es mit dem gerade beschlossenen Abschied vom Verbrenner im Jahr 2035 und dem 49-Euro-Ticket zwar aktuell einige Entwicklungen, die leise Hoffnung auf eine Mobilitätswende machen. Dennoch wünsche ich mir hier mehr Mut und Bereitschaft für schnelle und tiefgreifende Veränderungen, damit wir uns von bestimmten Pfadabhängigkeiten verabschieden und neue Wege ausprobieren.

Und auch international braucht Klimaschutz endlich höchste Priorität. Die Internationale Energieagentur hat in Vorbereitung auf die 27. Conference of Parties in Ägypten im November 2022 gerade konstatiert, dass es einen „schmalen, aber noch gangbaren Weg“ hin zu einer Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C gegenüber vorindustriellen Werten gibt, wie es in den Sustainable Development Goals in Paris 2015 vereinbart wurde. Neben verbindlichen Umsetzungsschritten für die Nationalstaaten finde ich hier die Debatte der internationalen Gerechtigkeit und Solidarität besonders wichtig, die wir beispielsweise im Frühjahr 2023 bei einer Tagung im HPH diskutieren.

Der Bereich sozial-ökologische Transformation im Heinrich Pesch Haus

Heinrich Pesch Haus

Die Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung gehören zu den wichtigsten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Seit Mitte des Jahres 2022 ist im Heinrich Pesch Haus – Katholischen Akademie Rhein-Neckar – hier für ein eigener Bereich eingerichtet. Alexander Mack leitet diesen Bereich. Es erscheint regelmäßig ein Newsletter, sie können ihn hier abonnieren:

Welche Verantwortung trägt der Einzelne?

Unglaublich viel und gleichzeitig nur einen winzigen Bruchteil. Ja: Private Haushalte haben einen wesentlichen Anteil am Energieverbrauch und den CO2-Emissionen einer Volkswirtschaft. Durch unsere Konsumentscheidungen haben wir Verbraucher*innen daher eine nicht zu unterschätzende Gestaltungsmacht ökonomischer Prozesse.

Dies gilt besonders, wenn Menschen sich zusammenschließen und bestimmte Produkte oder Dienstleistungen gezielt boykottieren bzw. nachfragen. Ich denke da etwa an den Trend zu verpackungsfreiem Einkaufen, der in den vergangenen Jahren zunächst zum Entstehen vieler „Unverpackt-Läden“ und anschließend dazu geführt hat, dass auch Supermärkte und Discounter ihre Verpackungen hinterfragen und umstellen. Hier zeigt sich deutlich die viel zitierte „Macht des Verbrauchers“.

Auf der anderen Seite sehe ich – und nicht nur ich – die Gefahr einer Art „moralischen Überlastung“ des Menschen: Wenn jede Konsumentscheidung, jeder Gang in den Supermarkt und jeder Restaurantbesuch potenziell große Umweltauswirkungen zur Folge haben, kann das Gefühl einer Überforderung entstehen.

Daher wäre es gut, wenn wir als Gesellschaft Rahmenbedingungen schaffen, in der ökologisch vertretbares Verhalten als „Default-Einstellung“ den logischsten, sinnvollsten, einfachsten und damit besten Weg darstellt. Der Umweltwissenschaftler Michael Kopatz beschreibt das in seinem gleichnamigen Buch als „Öko-Routine“. Und hier sind wieder politische Entscheidungsträger*innen am Zug, die für diese Rahmenbedingungen sorgen können, denn – vereinfacht gesagt: Verhältnisse ändern Verhalten!

Vor welchen Herausforderungen bzw. Gefahren steht die Gesellschaft bei der Transformation?

Die Transformation zu einer Gesellschaft, die nachhaltiger und verantwortungsvoller mit dem Planeten und seinen endlichen Ressourcen umgeht, wird unweigerlich mit einem Strukturwandel verbunden sein. Es wird Staaten, Institutionen, Unternehmen und natürlich Menschen geben, die davon profitieren oder darunter leiden – verbunden mit Hoffnungen und Perspektiven, Ängsten und Sorgen.

Es besteht also durchaus die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung, wie wir sie auch bei anderen Themen und Debatten beobachten. Daher sehe ich einen Teil unserer Aufgabe als Bildungseinrichtung darin, durch Information, Reflexion und Diskussion sowie konkreten Projekten dazu beizutragen, dass wir als Gesellschaft im Gespräch bleiben und dem Wandel positiv begegnen.

Außerdem können wir beobachten, dass die verschiedenen Krisen, in denen wir uns aktuell befinden, sich überlagern und teilweise gegeneinander ausgespielt werden. Das passiert meist nicht aktiv oder wissentlich – jedoch hat die Klimakrise den großen Nachteil, dass ihre Auswirkungen größtenteils unsichtbar sind, in langen Zeiträumen oder – zumindest gefühlt – in weiter Entfernung stattfinden. Daher klingt es erstmal einfacher, sich den anderen Krisen zu widmen, bei denen sich schneller Erfolge erzielen lassen. Psychologisch ist das nachvollziehbar, aber leider auch sehr gefährlich …

Sozio-ökologische Wende

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wo jetzt schon Umwelt und Gesellschaft Hand in Hand gehen?

Beim Konzept der „solidarischen Landwirtschaft“ etwa bilden Landwirt*innen und Verbraucher*innen sogenannte „Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaften“. Dabei werden die Verbraucher*innen Mitglied in einer Art Genossenschaft und zahlen meist einen bestimmten Betrag an die Erzeuger*innen landwirtschaftlicher Produkte, z. B. für Obst und Gemüse. Im Gegenzug erhalten sie in regelmäßigen Abständen einen bestimmten Anteil von deren Ernte. Dies kann mal mehr, mal weniger sein.

Auf diese Weise entsteht eine Gemeinschaft zwischen Produzent*innen und Konsument*innen, die sich gegenseitig absichert: Chancen und Risiken, die es in der Landwirtschaft immer gibt, werden aufgeteilt. Dadurch sind die landwirtschaftlichen Betriebe nicht von den schwankenden Preisen auf dem Großmarkt oder den dortigen ästhetischen Ansprüchen abhängig.

Und das Modell hat weitere Vorteile: Durch die regionale Verortung entstehen kurze Lieferketten, was den CO₂-Ausstoß minimiert und eine lange energieintensive Kühlkette vermeidet. Durch den vornehmlich saisonal sowie biologisch-dynamisch ausgerichteten Anbau steigt außerdem die Biodiversität auf den Ackerflächen. Ganz nebenbei erhalten wir Verbraucher*innen leckere, regional und saisonal produzierte Lebensmittel und erweitern dadurch unsere kulinarische Palette. Zusätzlich wird die Identifikation mit Anbau und Verarbeitung gestärkt: So hatten meine Tochter und ich viel Spaß bei der Apfelernte auf einer Streuobstwiese im Odenwald. Ich bin überzeugt, dass sich solche genossenschaftlich, regional und kleinteilig organisierten Projekte positiv auf Mensch und Umwelt auswirken und daher verstärkt werden sollten.

Was gibt ihnen Zuversicht, dass eine Transformation die Klima-Krise zumindest abmildern kann?  

Wenn wir beim eingangs erwähnten Modell der „Planetaren Grenzen“ bleiben, gibt es durchaus auch Grund zur Hoffnung: So haben wir das Problem der schwindenden Ozonschicht Ende des letzten Jahrtausends erkannt und durch vergleichsweise wenige, einfache und international abgestimmte Maßnahmen (Verbot von FCKW und anderen ozonschädigenden Stoffe) weitgehend in den Griff bekommen. Wenn wir diesen Schritt auch im Bereich Klima und Biodiversität schaffen, würden wir uns und dem Planeten wieder etwas Zeit zum Durchatmen verschaffen …

Außerdem sind wir als Gesellschaft enorm wandlungs- und anpassungsfähig: So haben wir in der Corona-Pandemie große Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in kürzester Zeit umgestellt. Dabei haben meiner Wahrnehmung nach viele Menschen reflektiert, was für sie ein „gutes Leben“ darstellt und welche Zutaten sie dafür benötigen. Das brauchen wir auch für einen tiefergehenden sozial-ökologischen Wandel, denn der Klimawandel stellt uns vor ähnliche Herausforderungen wie die Pandemie – mit dem Unterschied, dass die Auswirkungen weniger sichtbar sind und sich auf einen längeren Zeitraum beziehen.

Wie beeinflusst Ihre Arbeit Ihren Alltag?

Das ist eine gute Frage! Als Pfadfinder und Vater versuche ich schon seit langem, mein eigenes Leben so zu gestalten, dass es möglichst wenig negative Auswirkungen aufs Klima hat – das klappt mal mehr, mal weniger gut. Gerade neulich habe ich vom HPH ein Fairphone zur Verfügung gestellt bekommen, das ich dienstlich sowie privat nutzen darf und im Alltag teste, wie digitale Kommunikation aussehen kann, die besonders auf soziale und ökologische Standards achtet.

Als Bildungsreferent darf ich außerdem an Themen arbeiten, die unseren Alltag und damit auch mein persönliches Leben maßgeblich mitgestalten: So entstehen Ideen für Veranstaltungsformate oder inhaltliche Schwerpunkte oft im Privatleben, während ich die Impulse von der Arbeit wiederum in den Alltag meiner Familie, meiner Freund*innen oder in zivilgesellschaftliche Initiativen einbringen kann. Ich würde das als eine Win-Win-Situation beschreiben …

Interview: Christoph Kraft


Alexander Mack

Er hat in Darmstadt und Wien Pädagogik sowie Bildungswissenschaften studiert. Der begeisterte Radfahrer ist seit über zehn Jahren im Bereich der politischen Bildung unterwegs und beschäftigt sich dabei vor allem mit sozial-ökologischen Themen und Fragen nach einer gerechten Gesellschaft. In seiner Freizeit ist er mit Familie oder Freund*innen gerne draußen unterwegs, backt Flammkuchen beim Pfadfinderstamm in seiner südhessischen Heimat, schnürt die Laufschuhe oder wirft Frisbee-Scheiben über Sportplätze.

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